Vorbemerkung

Die aktuellen regulatorischen Entwicklungen, welche Unternehmen, die in der Lieferkette eingebunden sind, beachten müssen, bestehen im Wesentlichen aus menschenrechtlichen und umweltrechtlichen Sorgfaltspflichten. Diese sorgen bei Unternehmen in Deutschland, als auch bei Unternehmen in der EU für Fragen und Unsicherheiten. Die wesentlichen Fragen wollen wir im Nachfolgenden beantworten und somit die Unsicherheiten reduzieren.

Die Grundlage des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) ist in der Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu suchen. Diese definieren, welche Anforderungen und Erwartungen die internationale Gemeinschaft im Hinblick auf die Achtung und Einhaltung von Menschenrechte und Umweltschutz in der Lieferkette haben.

Notwendigkeit einer Gesetzgebung?

Im Dezember 2016 veröffentlichte die Bundesregierung den Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte (NAP), um ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte gerecht zu werden. Dieser NAP stellte die Umsetzung der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft, Menschenrechte und Umweltschutz in der Lieferkette für Deutschland dar. Jedoch war der NAP für Unternehmen nicht verpflichtend. Er war ein erster wichtiger Schritt zur Umsetzung der Vorgaben, jedoch folgten nur wenige Unternehmen der Bitte zur Umsetzung.

Die Bundesregierung überprüfte von 2018 bis 2020 den Stand und den Status dieser freiwilligen Umsetzung bei in Deutschland ansässigen Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern. Das Ergebnis war ernüchternd. Lediglich 13 bis 20 Prozent der gut 5.500 betrachteten Unternehmen erfüllten die Anforderungen. Das von der Bundesregierung anvisierte Ziel von mindestens 50 Prozent Erfüllungsquote wurde deutlich verfehlt. In diesem Fall sah der damalige Koalitionsvertrag vor, dass die Bundesregierung diesbezüglich gesetzgeberisch tätig werden muss.

Welche Unternehmen sind betroffen?

  • Alle Unternehmen, unabhängig von ihrer Rechtsform, die ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben,
  • Alle ausländischen Unternehmen, die in Deutschland eine Zweigniederlassung nach § 13d HGB betreiben und die Mitarbeiter dieser Zweigniederlassung zuzuordnen sind,
  • Verbundene Unternehmen und Konzerne im Sinne des § 15 Aktiengesetz (AktG) haben die Arbeitnehmerzahlen gemeinsam zu berücksichtigen:
    • Jeweils ab 01.01.2023: Unternehmen mit mindestens 3.000 Mitarbeitern, einschließlich Leiharbeitskräften und ins Ausland entsendete Arbeitnehmer (ca. 600 Unternehmen),
    • Jeweils ab 01.01.2024: Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern, einschließlich Leiharbeitskräften und ins Ausland entsendete Arbeitnehmer (ca. 3.000 Unternehmen).

Definitionen und Sorgfaltspflichten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz

Alle Unternehmen, die unter den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, haben wirksame, angemessene und geeignete Sorgfaltspflichten in der gesamten Lieferkette umzusetzen und einzuhalten. Sie haben ein Sorgfaltspflichtensystem einzurichten, dass sich in seiner Grundstruktur an den Kernelementen menschenrechtlicher Sorgfalt des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte anlehnt.

Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten ist auf die angemessene Weise eines Handelns, das den Sorgfaltspflichten genügt, abzustellen. Dies wird insbesondere durch folgende Kriterien definiert (§ 3 Abs. 2 LkSG):

  • Art und Umfang der Geschäftstätigkeit,
  • Einflussvermögen auf den unmittelbaren Verursacher der Verletzung,
  • Die typischerweise zu erwartende Schwere der Verletzung,
  • Die Umkehrbarkeit der Verletzung,
  • Die Wahrscheinlichkeit des Verletzungseintritts,
  • Die Art des Verursachungsbeitrages zu dem Risiko.

Wirksame Maßnahmen sind gemäß § 4 Abs. 2 LkSG Maßnahmen, die es einem Unternehmen ermöglichen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und zu minimieren sowie Verletzungen menschenrechtsbezogener oder umweltbezogener Pflichten zu verhindern, zu beenden oder deren Ausmaß zu minimieren, wenn das Unternehmen diese Risiken oder Verletzungen innerhalb der Lieferkette verursacht oder dazu beigetragen hat.

Wie wird eine Menschenrechtsverletzung definiert?

Das Gesetz sieht Menschenrechte dann verletzt, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eines oder mehrere der nachfolgenden Tatbestände vorliegen:

  • Kinderarbeit: Beschäftigung eines Kindes im Alter von unter 15 Jahren,
  • schlimmste Formen der Kinderarbeit für Kinder unter 18 Jahren:
  • Zwangsarbeit: Arbeit, die nur unter Androhung von Strafe verrichtet wird, wie beispielsweise als Folge von Schuldknechtschaft oder Menschenhandel,
  • Alle Arten der Sklaverei oder ähnliche Praktiken sowie Unterdrückung im Umfeld der Arbeitsstätte, beispielsweise durch extreme wirtschaftliche oder sexuelle Ausbeutung und Erniedrigung,
  • fehlende Arbeitsschutz-Regelungen, wenn Unfall- oder Gesundheitsgefahren bestehen, insbesondere:
  • Missachtung der Koalitionsfreiheit, insbesondere:
  • Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Beschäftigten aufgrund:
  • Bezahlung der Mitarbeiter unter dem Mindestlohn der für den Standort der Betriebsstätte gilt,
  • schädliche Bodenveränderungen, Gewässer- und Luftverunreinigungen sowie Lärmemissionen und übermäßiger Wasserverbrauch, wenn die nachfolgenden Folgen eintreten:
  • widerrechtliche Zwangsräumung oder Entzug von Land, Wäldern und Gewässern beim Erwerb der Bebauung und der anderweitigen Nutzung, wenn diese die Lebensgrundlage von Personen beeinträchtigt,
  • Beauftragung oder Nutzung privater und öffentlicher Sicherheitskräfte zum Objektschutz, wenn die Sicherheitskräfte aufgrund mangelnder Unterweisung oder Kontrolle durch den Auftraggeber folgende Vorgehensweise verfolgen:
  • jedes Tun, Handeln oder Unterlassen, das in besonders schwerwiegender Weise geschützte Rechtspositionen von Personen beeinträchtigt (Auffangtatbestand).

Wie wird die Lieferkette definiert?

Das Gesetz selbst definiert die Lieferkette nicht, bezieht sich jedoch auf den Begriff und erläutert die Folgen für Unternehmen in Lieferketten.

Die Lieferkette (englisch supply chain) umfasst nach Auffassung des deutschen und europäischen Gesetzgebers alle Produktionsschritte bei der Herstellung von Waren. Die Lieferkette beginnt bei der Produktion oder beim Abbau von Rohstoffen, umfasst hierbei sämtliche Produktionsschritte unter Einsatz von Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffen und endet im fertigen Produkt für den Endverbraucher. Neben der Produktion ist auch die Logistik in der Lieferkette enthalten, denn ohne Transport würden die Produkte in unserer globalisierten Welt nicht zu ihrem weiteren Produktionsstandort und auch nicht zum Endkunden gelangen. Zusätzlich sind in der Lieferkette alle mit dem Produktionsprozess verbundene und nachgelagerte Dienstleistungen enthalten, wie beispielsweise der Aufbau und die Kalibrierung einer Maschine. Die Lieferkette endet somit erst dann, wenn das Endprodukt beim Endkunden vor Ort angekommen ist, in Empfang genommen wurde und einsatzbereit ist.

Auf welchen Bereich der Lieferkette beziehen sich die Sorgfaltspflichten?

Die Sorgfaltspflichten für Unternehmen berücksichtigen die gesamte Lieferkette. Die daraus abzuleitenden Maßnahmen sind in zwei Stufen unterteilt:

Eigener Geschäftsbereich und unmittelbare Zulieferer (direkte Vertragspartner):

  • Pflicht zu Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen,

Zum eigenen Geschäftsbereich gehören das Unternehmen selbst und alle mit ihm verbundene Unternehmen und Tochtergesellschaften nach § 15 AktG.

Mittelbare Zulieferer (bis hinunter zum Rohstofflieferanten):

  • Pflicht zu Risikoanalyse, Präventions- und Abhilfemaßnahmen, wenn das Unternehmen „hinreichend begründete Kenntnisse“ (siehe Punkt 4.6) über eine Menschenrechtsverletzung hat.

Welche Sorgfaltspflichten müssen tangierte Unternehmen umsetzen?

Die nach § 3 LkSG richten sich die von einem Unternehmen geforderten Sorgfaltspflichten grundsätzlich nach der Art und Umfang des eingerichteten Geschäftsbetriebes sowie nach den Einflussmöglichkeiten auf Menschenrechtsverletzungen und die Schwere von Menschenrechtsverletzungen:

  • Risikomanagement, einschließlich klarer Regelungen von Zuständigkeiten,
  • Durchführung regelmäßiger Risikoanalysen,
  • Abgabe einer Menschenrechts-Grundsatzerklärung,
  • Einrichtung von Präventionsmaßnahmen im eigenen Geschäftsbereich und bei unmittelbaren Zulieferern,
  • Ergreifung von Abhilfemaßnahmen,
  • Einrichtung eines Beschwerdemanagements und Hinweisgeberverfahrens,
  • Kontrolle der Umsetzung der Sorgfaltspflichten bei unmittelbaren Zulieferern,
  • Kontrolle der Umsetzung der Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern, wenn ein hinreichend begründeter Verdacht einer Verletzung beim Zulieferer vorliegt,
  • Berichtswege, Dokumentation und Berichtserstattung.

Haften Unternehmen für ihre Lieferanten?

Der Gesetzgeber erwartet, dass relevante Unternehmen ihre eigenen Lieferkettenrisiken genau analysieren und geeignete Abhilfemaßnahmen dagegen treffen, diese zu beheben oder mindestens abzumildern.

Ein vom Gesetz tangiertes Unternehmen hat nicht die Verantwortung und die Haftung für das Verhalten Dritter in der Lieferkette zu übernehmen.

Was bedeutet „hinreichend begründete Kenntnisse“?

Das Gesetz definiert „hinreichend begründete Kenntnisse“ als „tatsächliche Anhaltspunkte […], die eine Verletzung einer menschenrechtsbezogenen oder einer umweltbezogenen Pflicht bei mittelbaren Zulieferern möglich erscheinen lassen. Es bezieht sich demnach auf „überprüfbare und ernst zu nehmende Informationen über eine mögliche menschenrechtliche oder umweltbezogene Verletzung“.

Folgen für KMU in der Lieferkette?

Wenn kleinere und mittlere Unternehmen (KMU), welche in Deutschland ansässig sind, größere, direkt vom Gesetz tangierte Unternehmen als Zulieferer beliefern, können sie durch ihre Vertragsbeziehung zu ihrem Unternehmenskunden zur Umsetzung von Sorgfaltsprozessen angehalten werden, da dieser als direkt vom Gesetz tangiertes Unternehmen zur Einhaltung der Sorgfaltspflichten gesetzlich verpflichtet ist.

Verlangt ein großer, direkt unter das Gesetz fallender Kunde eines KMU von diesem die Einhaltung von gewissen Sorgfaltspflichten, wie beispielsweise eine Risikoanalyse, trifft das KMU keine Berichterstattungs- und Offenlegungspflichten gegenüber der Behörde BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) und der Öffentlichkeit. Auch mit Kontrollmaßnahmen oder Sanktionen durch das BAFA hat das KMU direkt nicht zu rechnen.

Sind alle unterschiedlichen Menschenrechtsstandards einzuhalten?

Das LkSG verlangt nicht von Unternehmen sicherzustellen, dass alle Beschäftigten in der Lieferkette alle Menschenrechte vollumfänglich einhalten. Primär hat immer der Staat, in dem ein Unternehmen ansässig ist, die Schutzpflicht. Insofern erwartet der deutsche Gesetzgeber von den relevanten Unternehmen nicht, dass sie in anderen Ländern deutsche Menschenrechtsstandards garantieren müssen.

Das Gesetz fordert von den relevanten Unternehmen jedoch, dass sie ein angemessenes, geeignetes und wirksames Risikomanagementsystem hinsichtlich der Risiken für Menschenrechte und umweltrechtliche Pflichten einrichten (§ 4 Abs. 1 LkSG).

Ziehen sich deutsche Unternehmen aus Entwicklungsländern zurück?

Das LkSG vertritt ausdrücklich den Grundsatz „Befähigung vor Rückzug“. Das bedeutet, dass Unternehmen explizit ermutigt werden, sich nicht aus Regionen mit niedrigeren Standards zurückzuziehen. Vielmehr sollen diese Unternehmen sich vor Ort gemeinsam mit ihren Zulieferern um eine Risikoreduktion bemühen.

Lediglich bei schweren Verstößen sieht das Gesetz den Abbruch der Geschäftsbeziehung vor. Dieser ist jedoch an die nachfolgenden Faktoren geknüpft:

  • Es muss eine schwerwiegende Verletzung vorliegen.
  • Alle Versuche der Risikominderung scheiterten innerhalb der festgelegten Zeit.
  • Es stehen keine anderen, milderen Mittel zur Verfügung.
  • Die Erhöhung des Einflussvermögens ist nicht aussichtsreich genug.

Das Gesetz stellt zudem explizit klar, dass allein der Umstand, dass ein Land die in Bezug genommenen internationalen Übereinkommen nicht ratifiziert hat, nicht ein Ende der Geschäftsbeziehung erfordert.

Welche Berichtspflichten haben Unternehmen einzuhalten?

Alle relevanten vom Gesetz tangierten Unternehmen müssen dem BAFA jährlich, spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahrs, einen Bericht über die Umsetzung der Sorgfaltspflichten vorlegen. Zudem haben die Unternehmen den Bericht online auf ihrer Homepage 7 Jahre lang zu veröffentlichen.

Der Bericht muss so ausgestaltet sein, dass er unbeteiligten Dritten nachvollziehbar darüber Auskunft geben kann

  • ob und welche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken das Unternehmen identifiziert hat,
  • was das Unternehmen zur Erfüllung seiner Sorgfaltspflichten und zur Risikominimierung unternommen hat,
  • wie das Unternehmen die Auswirkungen und die Wirksamkeit der ergriffenen Maßnahmen bewertet,
  • welche Schlussfolgerungen es aus der Bewertung für zukünftige Maßnahmen zieht.

Wer kontrolliert die Einhaltung des Gesetzes?

Die Umsetzung des Gesetzes bei den einzelnen Unternehmen wird durch die BAFA kontrolliert. Hierzu prüft das Amt die von den Unternehmen eingereichten Berichte und führt zudem auch eigene Vor-Ort-Kontrollen bei Unternehmen durch.

Die Behörde wird durch das LkSG umfangreich ermächtigt. Sie kann Unternehmen im Bedarfsfall einzelne konkrete Handlungen vorgeben. Zudem kann das BAFA von Unternehmen innerhalb von drei Monaten einen Plan zur Behebung von Sorgfaltspflichtenverletzungen einfordern. Darüber hinaus darf die Behörde Personen vorladen und Auskünfte verlangen. Im Rahmen von Vor-Ort-Kontrollen darf die Behörde unangemeldet Geschäftsräume und Produktionsstätten von Unternehmen betreten sowie Unterlagen und Aufzeichnungen einsehen und prüfen.

Sind Unternehmen zur Kooperation nicht bereit, kann das BAFA zur Durchsetzung seiner Rechte gegenüber Unternehmen Zwangsgelder von bis zu 50.000 EUR verhängen.

Welche Sanktionen haben Verstöße gegen das LkSG zur Folge?

Das LkSG enthält einen Abschnitt, der sich explizit mit Sanktionen befasst.

Hierbei haben Unternehmen Bußgelder zu erwarten, wenn sie ordnungswidrig, also vorsätzlich, fahrlässig oder sogar grob fahrlässig, bestimmte vom Gesetz geforderten Pflichten verletzen.

Diese Verletzungen sind insbesondere darin zu sehen, dass eine Risikoanalyse nicht oder nicht vollständig erstellt wird, Abhilfemaßnahmen nicht oder nicht rechtzeitig ergriffen werden, Dokumentationen nicht oder nicht ausreichend erfolgen.

Darüber hinaus sieht das Gesetz vor, dass Unternehmen für bis zu 3 Jahren von öffentlichen Auftragsvergaben ausgeschlossen werden können, wenn ein Bußgeld einer bestimmten Mindesthöhe gegen das Unternehmen verhängt wurde. Ebenso besteht die Möglichkeit, ein Vergehen eines Unternehmens in einem Register einzutragen und öffentlich zu machen, das sogenannte „Naming and Shaming“.

Die Bußgelder, welche das BAFA verhängen kann, orientieren sich grundsätzlich an der Schwere des Verstoßes. Sie reichen bei leichten Verstößen von wenigen tausend Euro, über schwerere Verstöße bis zu Millionenbeträge bis hin zu schweren und schwersten Verstößen bis zu 2 % des Jahresumsatzes eines Unternehmens.